Januar 2000

Dirk Gottfried



Bildhauer

Eröffnung: Sonntag, 9. Januar 2000, 11:30 Uhr

Finissage und Vorstellung der Vereinsedition,
Sonntag, 6. Februar 2000, 15.00 Uhr

Einführung: Dr. Christian Krausc

Zur Eröffnung spielte: Elke Martha Umbach, Flöte

Dirk Gottfriedt, Jg. 1944, ist Bildhauer. 1967, 1969 sowie 1976 Schüler bzw. Assistent von Prof. Norbert Kricke an der Kunstakademie Düsseldorf, meidet er in seinen Arbeiten jede Form der abbildenden Illustration. Vielmehr ist Gottfriedt ein Vertreter der Konkreten Kunst, die sich, nach dem Verständnis Theo van Doesburgs aus dem Jahr 1924, nicht aus der visuellen Umwelt abstrahiert, und deren bildnerische Elemente weder als Abbild der Natur noch symbolisch gemeint sind, sondern vornehmlich aus sich selbst heraus existieren.

Vor diesem Hintergrund gelten Gottfriedts Überlegungen jenen Arbeiten, die abstrakte The-men wie Raum, Bewegung, Proportion und Maß sowie Offenheit und Geschlossenheit,
Stütze und Last, Horizontale und Vertikale hinterfragen und in physische Präsenz umsetzen. Mittel zum Zweck ist das Eisen, ein Material, dem vornehmlich Sachlichkeit und Funktionalität zugesprochen wird, das aber durch die Art seiner Herstellung und Bearbeitung ein hohes Maß an Emotionalität in sich birgt. Allein dieser Gegensatz trägt zur Spannung der von Dirk Gottfriedt geformten Arbeiten bei. Diese Spannung oder auch Widersprüchlichkeit ist es, die das gesamte Werk letztlich auf unterschiedliche Art auszeichnet.

Übergreifendes Thema der Ausstellung im Kunstverein Region Heinsberg ist die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Kreisform, die durch ihre perfekte Gestalt jede
Spannung verloren hat. Als idealer Körper besitzt der Kreis weder Anfang noch Ende und unterliegt damit letztlich keiner Veränderungsmöglichkeit. Gottfriedts Plastiken greifen die Form des Kreises auf, indem sie sie permanent hinterfragen. Sich öffnende oder schließende Schenkel verschiedener Arbeiten stellen die Idealgestalt des Kreises ebenso in Frage, wie jene Kugel-segment gleichen Plastiken, die das Rund des Kreises zwar aufgreifen, aber durch spezielle Winkelstellungen der einzelnen Segmente nicht vervollständigen.

Mehrfach wiederkehrendes Motiv ist die Fibonacci Zahlenreihe, umgesetzt in aneinandergereihte und Progression signalisierende Bögen. Durch die zunehmende
Öffnung der einzelnen Segmente aus der Kreisform heraus wird die stringente Logik der Mathematik in diesen Arbeiten durch eine emotionale Komponente ergänzt. Spannung entsteht, die die Spannungslosigkeit des Kreises konterkariert. Gottfriedts Plastiken beschäftigen sich bewusst mit Kreisteilen ohne dabei über den Kreis an sich zu sprechen.

Grundsätzlich leben Gottfriedts Arbeiten von der inszenierten Störung einer latent vorhandenen, inneren Ordnung. Bögen treffen auf Geraden, Offenheit wird mit Masse konfrontiert, begrenzte Strecken werden mit offenen Linien kombiniert. Vereinzelt eingesetzte Farbe schließlich erweitert das Spiel der Widersprüchlichkeiten um eine neue Komponente. Blau und Gelb verlieren in den
Plastiken von Gottfriedt ihre farbpsychologisch abgeleitete Qualität, schwer bzw. leicht zu erscheinen, indem ihnen neue Funktionen zugeteilt werden. Sie sind als Materialien zu verstehen, die durch die geschweißte Verbindung konkret die Aufgabe des Einander-Haltens verkörpern. Die Farben bekommen einen neuen Sinn, der über ihre Farbigkeit hinausreicht.

Dr. Christian Krausch