Mai 2000

Ute Bartel



belegt

Eröffnung: Sonntag, 7. Mai 2000, 11:30 Uhr

Übergreifendes Gestaltungselement der in Köln lebenden Künstlerin Ute Bartel, geboren 1961 in Halle/Westfalen und von 1988 bis 1994 Meisterschülerin von Prof. Reiner Ruthenbeck an der Kunstakademie Münster, ist das der Wiederholung einzelner Elemente. Gelegentlich eingebunden in eine Aktion, oftmals auch beschränkt auf die Möglichkeiten der Fotografie, entstehen fremde Ansichten eigentlich vertrauter Dinge, die eine gezielte Auseinandersetzung des Betrachters nach sich ziehen. Alltägliche, allgemeine Objekte werden unter der Hand der Künstlerin herausgehoben und vom eigentlichen Umfeld abgegrenzt, wobei die Vervielfältigung des einzelnen Motivs den Blick wieder auf das ursprüngliche Motiv lenkt.

Für die durch sein Eigendynamik bekannten Räume des Kunstvereins Region Heinsberg hat Ute Bartel eine Installation entwickelt, die konkret Bezug nimmt auf das diagonale und zugleich die Atmosphäre prägende Muster der Bodenfliesen. Zahlreiche, dem Format der Platten angeglichene Arbeiten breitet sie nach systematischen Erwägungen auf dem Boden aus, die auf die vorgegebene Ordnung des Ortes mit einer neuen und eigenstän-digen Struktur reagieren. Dem Ausstellungstitel entsprechend wurde der Boden des Kunstvereins "belegt". Überdies entfaltet Ute Bartel an den Wänden ein den Diagonalen des Boden folgendes Arrangement von Arbeiten, das abermals das maßgebende Prinzip des Raumes aufgreift und durch seine Drehung in die Vertikale letztlich pervertiert. Allein durch

diese beiden schlichten Eingriffe konnte der Ort mit seiner dominanten Struktur bezwungen werden.

Nicht unmittelbar erklären sich dem Betrachter die ausgebreiteten Motive. Von der Empore aus betrachtet, die den besten Blick auf die Ausstellung ermöglicht, gleichen die meisten hinter Plexiglas aufgezogenen Fotografien marmorähnlichen Strukturen, die dem Krakelee der durch die Zeit geprägten Bodenplatten zu antworten scheinen. In der Tat finden sich die Ursprünge der Arbeiten in großen Marmorplatten, deren Lebendigkeit Ute Bartel im Petersdom begegnet ist. Allein die seltsam anmutende Farbgebung lenkt den fragenden Blick des Betrachters in eine neue Richtung und gibt allmählich die eigentliche Herkunft

der Motive zu erkennen. Es handelt sich um verschiedene Wurst- und Schinkensorten, die von der Künstlerin fotografiert, stark vergrößert wiedergegeben worden sind. Dabei entspricht die Wiederholung und Spiegelung eines Motivs dem Prinzip der Akzentuierung, das durch die für Ute Bartel so typische Abgrenzung vom gewohnten Umfeld noch unterstrichen wird. Indessen ist die Wahl der verschiedenen Fleischwaren nicht zufällig, sondern orientiert sich an der einstigen Funktion des hiesigen Bauernhofes als Getreide-, Milch- und auch Fleischlieferant. Indem Ute Bartel das Motiv von Wurst und Schinken aufgreift, schafft sie einen ungewohnten Dialog mit dem Ausstellungsort, dessen ehemalige Funktion sich im übertragenen Sinne in den Arbeiten wiederspiegelt. Der Ausstellungstitel "belegt"

verweist in diesem Zusammenhang sowohl auf die gängige Charakterisierung eines Bauernhofes im Sinne von "mit einer Aufgabe belegt sein", als auch auf die verspieltere, an Brot-belag erinnernde Version des Wortes. Jedes mal aber kommt es zu einem intensiven Dialog des Betrachters mit dem Ausstellungsort und der Arbeit.

Ute Bartels Arbeiten für den Kunstverein Region Heinsberg leben von der Auseinandersetzung mit der Lokalität. Spricht Uwe Schramm im Katalogtext zur Ausstellung "This is not America" von einer "Art Metaordnung, die das Einzelne in einen größeren Zusammenhang einbindet", ließe sich das Programm für Heinsberg am besten als "doppeldeutige Ortsbezwingung"

charakterisieren, wobei Ute Bartel auf die Stärke des Raumes weniger mit lauter Gegenstärke, als mit stillem Geschick geantwortet hat. Die sanfte Art der "Belegung" eines Raumes mit neuen Inhalten, wie sie sich zudem in der eigens für den Verein erstellten und im Obergeschoss des Hauses gezeigten Edition wiederfindet, verleiht der Arbeit von Ute Bartel hohe Qualität und Eindringlichkeit.

Dr. Christian Krausch